ABWESEN

/ von SHANE DRINION

2013 Okt

Wir treffen uns zur Dämmerung. Wann? In diesem vagen Zeitraum zwischen Tag und Nacht. Das eine ist noch, das andere schon. Was gilt denn nun, wenn man sich auf der Schwelle befindet? Das Dazwischen ist nicht gut gelitten, aber es ist symptomatisch für unsere Zeit. Und obwohl wir Klarheit lieben, bestimmt es unsere Art des Denkens. Grund genug für Shane Drinion, in der Dämmerung eines Tages dem Dazwischen aufzulauern, das so flüchtig und doch immer gegenwärtig ist.

Der westliche Mensch meidet das Ungefähre und unterteilt die Welt in Gegensatzpaare. Seine Identität entsteht traditionell durch klare Einordnung. Mann oder Frau. Innenleben oder Außenwelt. Heimat oder Fremde. Privat oder Arbeit. Dabei bewohnen wir in vielen Bereichen längst unüberschaubare Zwischenräume. Und gerade die entziehen sich dem Denken, weil sie sich den Begriffen entziehen. Das Dazwischen ist nicht greifbar. Es ist ein Oszillieren, ein stehendes Nun zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht, ein Nicht-ein-noch-aus. Der Mensch des Dazwischen läuft seit je Gefahr, seiner Umwelt ebenso wie sich selbst radikal fremd zu werden.

Ist persönliches Dazwischensein das Resultat von Schwäche? Zögern, Zweifeln und Zaudern bestimmen de facto den Alltag vieler Menschen. Zielstrebigkeit im Handeln und ein Grundton der Überzeugung gilt als wichtigste Bastion, um die in allen gesellschaftlichen Bereichen vorhandenen Zwischenzustände in Schach zu halten. Wehe, wenn sie Raum greifen! Aber was wäre denn dann? Und wie lässt sich auf der Bühne von einem Dazwischen erzählen, wenn in ihm gar nicht gehandelt wird? Shane Drinion wagen genau dieses Kunststück, indem sie alltägliche Räume inszenieren, deren Wirklichkeit stets bedroht ist, Räume, die sich in Bewusstseinsräume transformieren, Körper, in denen das Digitale und das Analoge sich bis in die Stimmritze hinein durchdringen, innere Szenen, in denen die Möglichkeit mit der Realität ein Kleidertauschspiel spielt. In ABWESEN zeigen sie den in den alten Ordnungssystemen sich verkeilenden Menschen im Dazwischen von Zerrissenheit und Auflösung auf der einen und der Sehnsucht, eben genau nicht zuortbar zu sein, auf der anderen Seite.


Mit Leo van Kann / Michaela Maxi Schulz / Odine Johne / Benjamin-Lew Klon / Johannes Frick Regie Sebastian Lang Musik Leo van Kann Ton Florian Hermanns Foto www.pierrejohne.com Produktionsleitung Nadja Hermann Eine Produktion von SHANE DRINION in Koproduktion mit dem Theaterdiscounter

Das Theaterkollektiv SHANE DRINION um den Regisseur Sebastian Lang hat sich 2011 gegründet, im Kern bei Luk Perceval in Ludwigsburg studiert und seitdem in wechselnden Konstellationen gearbeitet. Es verdankt seinen Namen der Figur Shane Drinion aus The Pale King von David Foster Wallace, einem Buchhalter, der die Verrichtung der langweiligsten, repetitivsten Tätigkeiten transzendiert und unendliches, unvorstellbares Glück in ihnen findet. Nach Eine kurze Einführung in die Onanistik und Constant Bliss In Every Atom II zeigen wir nun die dritte Arbeit des Kollektivs. www.shanedrinion.de