Dolce far niente
Das Theaterprojekt Dolce far niente ist eine Parallelmontage der Welten von Pasolinis Antiheld „Accattone“ (1961) und dem Leben des realen Schweizer Teilzeitarbeitlosen von 2006 Tom Ott -- zwei zerrissene Gestalten. Accattone – einer von Pasolinis ragazzi di vita, ein Typ aus den subproletarischen Vorstädten Roms – ist für Pasolini Inbegriff von Wahrhaftigkeit und Unmittelbarkeit.
Accattone ist kein moralischer, aber ein authentischer Mensch.Von der Gesellschaft wird er nicht gebraucht und er wird sich ihr nicht anpassen. Er kämpft am Existenzminimum und mit dem Hunger, verdient sich Geld als kleiner Zuhälter. Als er sich in ein Mädchen verliebt, scheint es für einen kurzen Moment als könne er mit ihr aus seinem Elend aussteigen, als wolle er ihretwegen ein „besserer Mensch“ werden, aber das Leben hat kein gutes Ende für Accattone vorgesehen.
Tom Ott sieht sich auch, wie Accattone, als Außenseiter und als einen Widerständigen. Das „in den Tag leben“ Accattones ist für ihn das „in der Gegenwart aufgehen“. Wie Accattone will er sich nicht von falschen Zielen leiten lassen. Zurzeit träumt er davon, mit diesem Theaterprojekt einen sozialen Aufstieg zu erreichen, denn in seiner buddhistisch geprägten Weltsicht ist Künstler-Sein die höchste Lebensform. In der Figur Accattones sieht er einen bewundernswert autonomen Menschen, der sich nicht als Lohnarbeiter ausbeuten lässt und lieber Rotwein mit seinen Freunden trinkt. Not und Elend der pasolinischen Figuren sieht Tom Ott nicht. Ihm erscheint Accattones Leben immerhin erstrebenswerter als sein eigenes momentanes, in dem er täglich 8 Stunden in eisiger Kälte auf einem Baugerüst steht. Grundsätzlich versteht er sich aufgrund seines allabendlichen Joints und gelegentlicher sexueller Kontakte als „ausgesprochenen Hedonisten“.
Mit dem Subproletariat der 60er Jahre beschreibt Pasolini eine gesellschaftliche Klasse, die für die Gesellschaft nicht mehr von Nutzen ist und somit nichts mehr zu verlieren hat. Er hegte die Hoffnung, dass diese Klasse sich der modernen Konsumgesellschaft widersetzen könnte.In unserer Arbeit gehen wir den Diskussionen und Fragen Pasolinis nach und suchen zugleich nach den Formen und Denkweisen eines „Subproletariats 2005“.
Mit Tom Ott / Evelyne Gugolz Regie Wolfgang Klüppel Bühne Beni Küng Kostüme Sarah Bachmann Musik Luk Zimmermann Dramturgie Inga Schonlau Regieassistenz Viviane Aggeller