VOICECK
/ nach Motiven aus Georg Büchners Woyzeck
Okt
Woyzeck und Mexiko. Ein Kriminalfall. In der multimedialen Befragung des Klassikers steht der Mord zu Beginn. Statt unausweichlicher Kulminationspunkt ist er Anlass für ein verzwicktes Rätsel. Ein mexikanischer Schauspieler und ein deutscher Jungregisseur ermitteln gemeinsam und mit dem Publikum in einem internationalen Fall. Es geht um Mord. Aber wer kann vor Gericht als mündig zur Verantwortung gezogen werden? Weil da doch diese Stimmen waren. Kinderstimmen.
Als Moritz Riesewieck und Tina Ebert in Mexiko Stadt 2014 über das Goethe-Institut Büchners Klassiker Woyzeck inszenierten, bemerkten sie eher zufällig die fast beängstigende Allgegenwart von Kinderstimmen in der Megametropole. Auf den Straßen Kinderstimmen als Werbeträger, im Fernsehen der berühmteste Showmaster, ein Achtzigjähriger Tyrann mit Kinderstimme, und in Gedanken vieler die Stimmen zahlloser geraubter Kinder. Stimmen auf der Schwelle von Unschuld zu Unbehagen. Während das Kind von Woyzeck und Marie niemals spricht. In Woyzeck ist der Mord an Marie Dreh- und Angelpunkt bezüglich der Fragen nach Mündigkeit, Täterschaft und dem Hören von geheimnisvollen Stimmen. Laokoon denkt Kinderstimmen und Morden zusammen und diagnostiziert eine latente Entmündigung, die weithin um sich greift.
Ein mexikanischer Ermittler, ein deutscher Moderator: Gemeinsam folgen sie dem Büchnertext nach Mexiko und verzweifeln, weil sie keinen eindeutigen Täter finden. ExpertInnen kommen zu Wort, Täterprofile werden erstellt und Diagnosen diskutiert. Die ZuschauerInnen werden Teil der Ermittlungen und erhalten Einblicke in das unter Mithilfe des DAAD in Mexiko eingesammelte Originalmaterial: Fotos und Videos von den Tatorten, Beweismittel und über all dem der stetig Theorien spinnende Gedankenapparat der Ermittler. Aber statt einen Täter zu finden, verlieren sie den Mordfall aus den Augen und stehen vor einer der wohl bekanntesten Büchnerschen Fragen: „Was ist das, was in uns hurt, lügt, stiehlt und mordet? – Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nicht wir selbst!“
Aktenzeichen Woyzeck? Ungelöst!
Dramaturgie Tina Ebert Ausstattung Teresa Grosser Assistenz Jelena Kern Video Roman Kuskowski Licht Christian Maith Regie und Performance Moritz Riesewieck Performance Luis Alberto Rodriguez Sound Felipe Sanches Luna Eine Produktion von Laokoon in Kooperation mit Theaterdiscounter / Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ Mit Unterstützung durch DAAD / Deutschlandfunk / Deutschlandradio Kultur
Die Gruppe Laokoon wurde von Moritz Riesewieck und Tina Ebert, Absolventen in Regie und Dramaturgie an der HfS Ernst Busch, gegründet. LAOKOON, von griech. laós [Krieger] und koeo [schauen], ist der Name eines trojanischen Priesters. Er sieht als einziger den Betrug und die Gefahr, die das hölzerne Pferd in sich verbirgt. „Uns interessieren nicht die entsetzen Augen der Trojaner im Moment der Erkenntnis. Uns interessiert der Blick von Laokoon, der das Mögliche sah, was alle für unmöglich hielten.” Nach einer ersten Materialsichtung am Theaterdiscounter im Oktober 2014 verdichtet das Team seine Thesen zur abendfüllenden Diplominszenierung.